Mittwoch, 17. Juli 2013

Tag 70 (Teil 2)

Dienstag, 18.06.2013


Strecke: Honningsvåg - Hurtigruten - Berlevåg
Länge: 39 km (ges. 6940 km)


Der Einkauf ist erledigt und ich entscheide mich trotz hohem Preis für die Fahrt mit der MS Nordnorge bis Berlevåg. Die Fahrt wird 7 Stunden dauern mit zwei Stops auf dem Weg. Mein ursprünglicher Gedanke war ja, bis Mehamn zu fahren und von dort den nördlichsten Punkt des europäischen Festlandes zu besuchen. Die deutlich kürzere Fahrt (ca. 4 Std.) in Kombination mit einem nur minimal geringeren Preis lassen mich dann doch Berlevåg als Ziel aussuchen.





Natürlich buche ich für 25 NOK die Nutzung von Dusche und Sauna! Beim Ablegen bin ich noch am Deck und lasse den Blick zurück nach Honningsvåg auf mich wirken. 






Danach unter Deck in die Sauna. Allein in der kleinen Kabine, ordentlich schwitzen und zur Ruhe kommen. Ein eigenartiges Gefühl, so im Bauch des Schiffes. Der Verzehr von mitgebrachten Lebensmitteln ist an Bord nicht willkommen und ich bin auch nicht motiviert, mich an einem Tag wie heute aus dem Gepäck kalt zu verpflegen. Das Dinner ist deutlich zu teuer, so dass ich im Bistro an Bord eine Pizza bestelle: 
"1x Pizza, groß - bitte."
        "Die große? Wirklich?"
"Ja, die kleine wird nicht reichen..."
        "Ich kann die (gefrorene) Pizza ja mal rausholen und zeigen..."
"Gern."
(zeigt die zwei Pizzagrößen)
"Ja, ich nehme die große!"

Inzwischen ist Schichtwechsel im Bistro und die Bedienung schaut recht verwundert, dass ich allein am Tisch sitze und mich auf die Pizza freue. Ich esse also die Pizza und lasse nichts übrig. 





Ich spüre im Gegenteil ziemlich bald, dass das nicht alles gewesen sein kann! Ich habe weiterhin Hunger. Ein kleiner Spaziergang an Deck und ich komme zurück ins Bistro:
"1x fish&chips bitte."
(erstaunter, ungläubiger Blick)   "Immer noch hungrig?"
"Ja, die Pizza war zu klein."
(vollständig den Glauben verlierend) "Zu klein ?!?!?!?"
"Ja, ich brauche noch mehr..."




Ich erzähle ihr in Kürze, womit ich mich in den letzten Wochen beschäftigt habe und warum ich "etwas mehr" zum Essen benötige. Inzwischen fährt das Schiff am Nordskinn vorbei, ohne, dass ich es gesehen hätte. Leider gibt es dazu auch keine Durchsage an Bord. Ich hätte gern den nördlichsten Punkt des europäischen Festlandes zumindest vom Schiff aus gesehen. Naja, essen ist schließlich auch wichtig! Und die Portion fish & chips dazu gerade richtig.




Der Teller ist leer und Lise Airen (Bedienung) läd mich noch zu einem abschließenden Kuchenstück ein. Inzwischen ist auch die Küche informiert: Da sitzt ein "crazy guy", der bereits seit fast 7000 km mit dem Fahrrad unterwegs ist.

Wir quatschen noch bis zum erneuten Schichtwechsel - Lise hat nicht allzu viel zu tun. Ich ziehe weiter auf Deck 7 und lasse meine Gedanken in Begleitung von Piano-Livemusik um die letzten Tage kreisen. Immer noch spüre ich ganz deutlich dieses unglaubliche Gefühl in mir, dieser Rausch, der mich seit Erreichen des Nordkaps gefangen hält. Ein paar Songs später geht es nach draußen. 





Der "Winke-Wettbewerb" mit einem entgegenkommenden Hurtigrutenschiff beginnt. Party-Musik und Luftballons, dazu im Wechsel die alles durchdringenden Schiffhörner.





Es wird Zeit, das Schiff zu verlassen. Berlevåg ist erreicht. Auschecken und Gepäck rausstellen, um dann durch das Schiff wieder zum Cardeck zu laufen und das Fahrrad herauszuholen. Ich stehe da am Kai und die Reling auf dem Schiff ist wegen der vorherigen Schiffsbegegnung noch voll mit Menschen. Es wird ein lautstarker und lang anhaltender Abschied. Gänsehautfeeling pur!







Am Kai außer mir nur noch Markus und Bianka, die hergekommen sind, um die Schiffbegegnung von Land aus zu beobachten. Wir kennen uns bereits von einer Fährüberfahrt an der Küstenstrasse Rv17 (da hatte ich mich kurz mit Markus unterhalten). Da unser Schiff allerdings verspätet war, hat die Begegnung nicht im Hafen, sondern auf offener See stattgefunden.

Ich verabschiede mich und suche einen Schlafplatz am Strand. Da an der ersten Stelle die Heringe bei aufkommenden Wind einfach nicht halten, nehme ich den zweiten, windgeschützeren Platz. Auch da sichere ich im losen Sand die Heringe mit ordentlichen Steinen...

Es dauert noch, bis ich einschlafe. Immer wieder kommen die Eindrücke des Tages hoch... noch immer nicht greifbar, was ich alles erleben darf.





Tag 71

Mittwoch, 19.06.2013


Strecke: Berlevåg - Kongsfjord
Länge: 41 km (ges. 6981 km)


Gut geschlafen - trotzdem liegen bleiben! Die letzten beiden Tage in Bildern der Erinnerung durch die Gedanken ziehen lassen. So langsam wird es wahr... Ein schöner Moment am Strand. Die Ruhe, begleitet vom Wellenrauschen, tut gut.





Frühstücken, Abbauen, Aufbrechen - es ist fast Mittag. Nach einem Telefonat mit der Verwandtschaft in Deutschland drehe ich mich wieder um und fahre zurück nach Berlevåg. Für das geplante Paket mit Ersatzteilen und einigen zusätzlichen Dingen benötige ich eine Postadresse in Finnland oder Schweden - Norwegen, wie bisher geplant, ist als Versandadresse teuer und als Nicht-EU-Land aufwändig. Es folgt ein Kurzbesuch in der Touri-Info am Campingplatz, Einkauf bei Spar (schließlich folgt eine unbewohntere Gegend in der Finnmark) und ein längerer Aufenthalt in der Bücherei. Ich wähle den Campingplatz in Ivalo als Versandadresse und habe damit mal kurz meine ursprünglich geplante Route durch Finnland deutlich verlängert. Vergeblich bleibt trotz vielseitiger Unterstützung des Bücherei-Verantwortlichen der Versuch, Fotos von meiner SD-Karte für den Blog hochzuladen. Die Zeit geht dahin und ich breche ein zweites Mal auf.





An der Vogelküste entlang nach Kongsfjord. Die Vögel sind hier faszinierend: An der Steilküste und im Gegenlicht am Himmel. Ich entdecke unter vielen anderen einen Seeadler - der sich mit dem Fels im Hintergrund allerdings nur schwer fotografieren lässt. 









Ich erreiche Kongsfjord: Wind (der mit dem heutigen Start Richtung Süden natürlich auch aus südlicher Richtung kommt) weg - Moskitos da. Im Landhandel & Cafe treffe ich - mal wieder - auf Markus und Bianka. Die beiden haben mich heute gelegentlich überholt. Es gibt Waffeln mit Rømme und Marmelade (Blaubeer, was sonst). Rømme, Flatbrød und 2 verschiedene Sorten Rentiersalami zum Kosten runden den Aufenthalt ab. Das Cafe ist eingerichtet wie ein lebendiges Museum in das sich überall auch käufliche Waren gemischt haben.


ein ähnliches Bild wurde kurz darauf auch auf der Facebook-Seite vom Landhandel veröffentlicht





Meinen Zeltplatz wähle ich nach Empfehlung vom Einheimischen im Cafe am Strand. Es kommt Wind auf und ich setzte zusätzliche Heringe... so kann ich mich nach einem Foto-Aufenthalt am Strand entspannt zum Schlafen legen.









Tag 72

Donnerstag, 20.06.2013


Strecke: Kongsfjord - Gednjehøgda - ca. 20 km vor Tana bruk
Länge: 84 km (ges. 7065 km)


Der Wind von letzter Nacht ist vollständig eingeschlafen. Dabei musste ich das Tarp fast komplett zum Boden spannen, um dem Wind so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten. Dafür sind natürlich jetzt die Moskitos da - Frühstück im Zelt... im Meer baden fällt auch aus - schließlich will ich nicht aufgefressen werden (nach einem Bad im Salzwasser des Nordmeeres müsste ich ja auch noch das Salz im Bach abwaschen). Ich packe in Ruhe und fahre gegen 9:30 Uhr los. Gleich nach der ersten Kurve treffe ich auf Hans aus der Schweiz. Er ist mit dem Fahrrad (& Anhänger) auf dem Weg nach Berlevåg. Dort kennt er den Betreiber des Campingplatzes bereits seit Jahren. Hans ist grundsätzlich motorisiert in Norwegen, stellt sein Fahrzeug allerdings immer wieder für Fahrradtouren ab. Im Moment ist der Parkplatz ca. 500 km entfernt! Er hat mich von seiner erhöhten Position an der Straße bereits beim Losfahren vom Strand fotografiert...


unten am Strand - der Zeltplatz von letzter Nacht


Weiter gehts. Nach nicht einmal 3 km: Das Kennzeichen / Wohnmobil kenne ich doch...!
Umdrehen. Ich begrüße mal wieder Jürgen und Burgel. Ein überraschendes Wiedersehen. Ich bekomme die schon traditionelle Banane. Und wir verabschieden uns auf unbestimmte Zeit.

Weiter gehts. Da ist der Wind auch wieder - wie im Wetterbericht vorhergesagt - mir entgegen - aus Süden. Erste Quellwolken entstehen am Himmel, während ich die Fahrt rauf aufs Fjell in Angriff nehme. "Gednjehøgda" besteht aus meiner Sicht nur aus einer Straßenkreuzung und einem Gebäude der Straßenmeisterei.






Die Wolken werden tiefdunkel und der erste Schauer mit starkem, böigem Wind von vorn hat es in sich. Mit einem Wechselspiel aus Sonne und einigen Schauern geht es weiter durchs Kongsfjordfjell. Ich entdecke im Regen einen Camper mit COE Kennzeichen am Parkplatz. Das kann doch nicht sein, denke ich. Den habe ich doch schon oft gesehen ?!? Da halte ich jetzt an und frage nach. Nein - wir kennen uns noch nicht. Des Rätsels Lösung: In Dülmen gibt es einen großen Vermieter von Wohnmobilen. Daher das ähnliche Aussehen der Fahrzeuge mit Coesfelder Kennzeichen. Endlich ist das Mysterium aufgeklärt! Uwe kommt mit seiner Frau aus dem Hochsauerland. Nach einigen Ferrero Roche und noch mehr Quatscherei im Wohnmobil geht es heute mal wieder weiter. Ich hatte ja auch kurz vorher erst Rast im trockenen Windschatten eines zerfallenen Gebäudes gemacht...


nahezu baumloses Fjell beim Blick zurück

hinein in den Wald Nordnorwegens in Richtung Finnland

die Verladung am Steinbruch geschieht direkt aufs Schiff im Tana-Fjord


Ein letzter, leichter Anstieg bevor es hinunter zum Tana Fjord und anschließend weiter ans Tana-Flussdelta geht. Hier ist Naturschutzgebiet - bitte nicht stören. Ansonsten wäre es ein schöner Platz zum Zelten direkt unter dem Vogelfelsen gewesen. Die weitere Route folgt der Straße zwischen Felsen und Fluss. 



der Fluss Tana ("Tenon" in Finnland) schlängelt sich mit
breitem Flussbett und vielen Sandbänken durch die Landschaft


Ich versuche ein paar Abstecher Richtung Ufer. Immer auf der Suche nach einem guten Platz für die Nacht und entdecke schließlich auch einen. Nachfrage beim Haus oberhalb der Straße.
Kjell Hakon: Kein Problem! Herzlich willkommen.
Laila fragt, ob ich auch Abendessen möchte? Gern!
Es gibt Lachscremesuppe mit reichlich Kartoffeln und Gemüse. Kjell hat die Fischrechte für den Flussabschnitt unterhalb vom Haus. Gefangen werden die Lachse von ihm mit Netz. Er fängt immer nur Montags, Dienstags und Mittwochs nach der Arbeit und nur für ca. 3 Wochen im Zeitraum von Ende Mai bis Anfang Juni. An den Wochenenden ist das Angeln mit Netz verboten. Er arbeitet im Steinbruch, dessen Verladestelle am Fjord ich tagsüber fotografiert habe. Abgebaut wird Quarzit. Generell scheint die Tana-Region reich an Bodenschätzen zu sein. Unter anderem habe ich unterwegs auch Silberschmieden entdecken können. Nach dem Essen:
Dusche? Gern!
Kjell zeigt mir mit Stolz (zu recht!) seine selbstgebaute Grill- und Saunahütte: LED-Sternenhimmel in der Dachvertäfelung inkl. Sternbilder, überall verteilte Lautsprecher für einen guten Raumklang, fein verteilte LED-Beleuchtung in der Sauna, Pokalzimmer (für seinen Sohn: eh. finnischer Meister in Cross-Country-Skidoo), etc. Das Warmwasser für die Dusche wird extra für mich eingeschaltet und heizt auf, während ich mein Tarp aufbaue. Der Besuch im Haus, um mich für die Dusche nochmal zu bedanken ist der Beginn eines unterhaltsamen Abends. Geschlafen wird im Reich der Moskitos, geschützt im Innenzelt  - gut, dass ich im Haus essen durfte!
Für morgen hat mir Kjell noch Lachs mitgegeben. Der war für zwei Tage in Salz eingelegt und ist dann tiefgefroren worden und gehört morgen in dünnen Scheiben geschnitten aufs Brot. Ich werds gern probieren!







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